Djaizat al Salam - Friedenspreis

Kammeroper mit arabischen Instrumenten Musik von Musikdebatte Köln

MIdee und Libretto von Christian von Götz



„Diese Kammeroper setzt sich thematisch mit der zentralen Frage der rechtlichen Legitimation des Einsatzes auseinander: Waren deutsche Bundeswehrsoldaten durch gezielte Tötungen an Kriegsverbrechen beteiligt? Und war der Einsatz überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar? Die Oper will die Komplexität des Schuldthemas in Bezug auf die Realität des deutschen Afghanistan-Feldzugs darstellen und reflektieren. Die Figur des Friedenspreisträgers Ahmed al Jabouri und dessen Kriegsgegnerschaft mutet so als eine Plattitüde an, in der „Gut“ und „Böse“ irritierend ineinander greifen. Die Protagonistin, eine junge ukrainische Frau die in Deutschland lebt, trifft auf diesen bundesdeutschen Groß-Künstler und Friedensaktivisten und demontiert in intensiven, emotionalen Gesprächen und Auseinandersetzungen dessen selbst geschaffene Legende. Auch die Parallelen zwischen dem aktuellen Afghanistan-Krieg und dem Krieg der Sowjetunion in den 1980er Jahren werden durch den Hintergrund der Protagonistin thematisch aufgegriffen.

Das Libretto wurde von Gesprächen inspiriert, die Christian von Götz mit der ukrainischen Übersetzerin und Journalistin Xsenja Melnitschuk führte, und es verarbeitet damit viele tatsächliche Begebenheiten. Musikdebatte Köln vertonte den Text des Librettos in Form einer Kollektivkomposition.

Die ca. 90 minütige Kammeroper Djaizat al Salam - Friedenspreis ist ein musikalisches Monodrama für hohen Sopran und ein Kammerensemble mit u.a. arabischen Instrumenten sowie diverser zugespielter Sprachaufnahmen. Die Sopranpartie der Xuscha ist - was Schwierigkeitsgrad und musikalische Artistik angeht - mit den großen Sopran-Monodramen wie zum Beispiel Schönbergs „Erwartung“ durchaus vergleichbar.



Medien

Hörbeispiel: In dem Brief, den ich bei den Sachen von Mama gefunden habe.
Xuscha: Csilla Csövari




Hörbeispiel: Sie sind an der Höhlendecke aufgehängt worden.
Xuscha: Csilla Csövari



Hörbeispiel: Sehe ich Flugzeuge starten.
Xuscha: Csilla Csövari



Hörbeispiel: Jabouris Gedicht.
Xuscha: Csilla Csövari



Hörbeispiel: Am Tag als ich erfuhr, dass mein Vater tot ist.
Xuscha: Csilla Csövari



Hier können Sie sich Programmheft ansehen.






Das Politische ist ein Grundbestandteil der Kunstform

„Neues Forum für Politische Oper“ – so beschreibt die Gruppe Musikdebatte Köln ihr Gründungsanliegen. Die Dramaturgin Bettina Porstmann spricht mit Verena und Christian von Götz, Ed Weber und Csilla Csövari.

Politische Oper ist ja nun nichts Neues. Die gibt es spätestens seit Verdi. Ist das Anliegen der Gruppe Musikdebatte Köln nicht deswegen ein alter Hut?

Christian von Götz: Nein, umgekehrt verweist unserer Meinung nach die Tatsache, daß Verdi politisch gedacht hat, auf die Verantwortung der Opernmacher hin, das Politische nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Natürlich hatte das bei Verdi einen spezifischen Hintergrund, z. B. die Einigung Italiens, und ist deshalb mit unserer Gegenwart nur begrenzt vergleichbar. Grundsätzlich bedeutet es aber, daß das Politische an und in der Oper ein Grundbestandteil der Kunstform ist.

Aber warum deshalb eine unabhängige Gruppe gründen?

Ed Weber: Die Gruppe hat sich zusammengefunden, weil die einzelnen Mitglieder – jeder auf seine Weise - ein Defizit in der Opernlandschaft festgestellt haben: Die Ambition, mit einer Opernaufführung zum politischen Denken anzuregen, ist sehr selten. Das finden wir schade, das vermissen wir sehr. Und Musikdebatte Köln ist genau aus dieser Empfindung heraus geboren worden: Das sitzen ein paar Opernleute zusammen und sagen: Schaut Euch die Spielpläne an, schaut Euch die Inhalte an. Dann machen wir selbst was.

Nun gibt es aber schon einige Opernregisseure, die Politik in ihren Inszenierungen thematisieren.

Csilla Csövari: Ja, aber wir wollten darüber hinausgehen und neue Stücke entwickeln, die sich eben ausschließlich mit einem spezifischen politischen Thema auseinandersetzen. Und diese dann wiederum mit einer Musik aufladen, die dem Thema ganz konkret zuspielt. Wie z. B. bei der Afghanistan-Oper, in der wir arabische Musik und arabische Instrumente verwenden.

Christian, Du arbeitest als Opernregisseur ja normalerweise sehr geradeaus: Entweder schauspielhaft-pur oder komödiantisch-verrückt. Wie kommst Du dazu, Dich an einem Thema wie Politischer Oper abzuarbeiten?

Christian von Götz: Im Theater haben mich die Spiele mit der Form nie wirklich interessiert. Die haben natürlich ihre Berechtigung, es gibt große Regisseure, die mit der Form gespielt haben. Mich hat das aber auch oft gelangweilt. Ich hatte dann das Gefühl, daß ein Mangel an konkreter konzeptioneller Aussage durch vermeintlich bedeutungsvolle Bilderfindungen kaschiert werden soll.

Nun könnte man ja solche Begriffe wie „konzeptionelle Aussage“ auch als veraltet ansehen?

Christian von Götz: Für mich ist das aber der zentrale Punkt am Theater- bzw Opernmachen: Szenische Vorgänge, die etwas über die Welt erzählen, in der ich lebe. „L’art pour l’art“ hat mich nie sonderlich fasziniert. Und „L’opera pour L’opera“ zu machen interessiert mich auch nicht.

Was soll man sich unter Politischer Oper vorstellen? Sind Eure Stücke Agitprop?

Verena von Götz: Nein, mit Agitprop haben wir nichts zu tun. Das ist nicht unser Anliegen. Auch wenn wir den Begriff „Politische Musik“ (oder eben „Politische Oper“) schon in der Tradition von Hanns Eisler und Heiner Goebbels sehen. Aber eben nicht dogmatisch. Und auch nicht gesinnungseinig. Uns interessiert das Spannungsfeld der unterschiedlichen oder sogar gegensätzlichen Meinungen. Auch einfach deshalb, weil das seit Hegel ein Prinzip des Dramatischen ist.

Wie funktioniert das im Libretto?

Christian von Götz: Mir persönlich geht es darum, ein komplexes nahezu dialektisches Bild der politischen Situation aufzufächern und das dann durch die Musik emotionalisieren und zu individualisieren zu lassen. Ich wollte mit der Xuscha eine Figur entwickeln, die unser Verständnis und unser Mitgefühl bekommt, obwohl sie Dinge denkt und äußert, die moralisch nicht vertretbar sind. Genauso sollte der Friedenspreisträger eine Figur sein, die „auf der richtigen Seite steht“, der man aber trotzdem Falschheit und Scheinheiligkeit zutrauen kann.

Habt Ihr nicht das Gefühl, daß dieses „Prinzip des Dramatischen“ seit dem Postdramatischen Theater obsolet geworden ist?

Ed Weber: Nun, für Musikdebatte Köln ist das Post-Post-Dramatische wieder das Dramatische. Das Politisch-Dramatische eben.